Missbrauch, Macht und Medien – was uns die Geschichte der alt-katholischen Kirche zeigt
Missbrauch – ob körperlich, seelisch oder spirituell – ist kein neues Phänomen. Theresa Hüther zeigt in ihrem Artikel „Berichterstattung in der deutschen altkatholischen Presse über sexuellen und spirituellen Missbrauch in der römisch-katholischen Kirche Ende des 19. Jahrhunderts“, dass schon in der alt-katholischen Presse des ausgehenden 19. Jahrhunderts über Übergriffe und Vertuschung berichtet wurde. Priester, die ihre Autorität missbrauchten, und kirchliche Strukturen, die Täter schützten, seien keine Einzelfälle gewesen. Die alt-katholische Bewegung kritisierte besonders die ultramontane Frömmigkeit, die sich in einer unreflektierten Unterordnung unter die Autorität der Kirche und des Papstes äußerten. Schon damals sei über strukturelle Ursachen wie die Zölibatspflicht oder die Beichtpraxis diskutiert worden. Spiritueller Missbrauch und Manipulation hätten häufig sexualisierte Gewalt vorbereitet und ermöglicht – Missbrauch wurde als Folge eines Systems verstanden, das Abhängigkeit und Schweigen förderte. Hüther macht deutlich, dass Wissen über Macht-, sowie spirituellen und sexuellen Machtmissbrauch vorhanden war, doch die römisch-katholische Kirche keine Bereitschaft zeigte, ihre eigenen Strukturen zu hinterfragen. Die offene Auseinandersetzung mit kirchlichen Missbrauchsskandalen ist daher nicht nur modernes Phänomen. Sie sorgt heute dafür, dass Opfer den Raum bekommen, offen über ihre Erfahrungen sprechen zu können.